Süße Träume im Maharadschapalast
Unser Autor hat eine unvergessliche Nacht in einem indischen Palasthotel verbracht – inklusive Upgrade, Drinks mit dem Hausherrn und so mancher Überraschung.

Er sah ziemlich genau so aus, wie man sich einen Maharadscha vorstellt: hellgrauer Bart, dunkelgrauer Turban, schwarze Hose, darüber ein anthrazitfarbener Sherwani, jener mantelartiger Überrock, der indische Männer so elegant wirken lässt. Shri Harshvardhan Singh stand auf der Treppe vor dem Eingang seines Palastes und sah zu, wie Bedienstete mein Gepäck aus dem Kofferraum des Taxis holten. Dann kam er mir entgegen und hieß mich willkommen. Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte, schließlich war er mein erster Maharadscha. Und sein Palast das erste Palasthotel, das ich auf meiner Indienreise besuchte. Ich verneigte mich und lobte sein prächtiges Zuhause.

Der Palast war riesig. Der Garten ebenfalls. Er reichte bis zum Ufer eines Sees; auf dem Rasen schlug ein Pfau gerade ein Rad. Der Maharadscha lächelte höflich und führte mich zur Rezeption. „Nur das Beste für unseren Gast“, sagte er auf Englisch. Es folgte eine Reihe von Sätzen in Hindi, die wie strenge Anordnungen klangen. Dann wünschte mir Shri Harshvardhan Singh einen angenehmen Aufenthalt und empfahl sich.
Vom Maharadschapalast zum Heritage Hotel
Der Udai Bilas Palace in Dungarpur ist einer von etlichen Palästen in Indien, in denen man als Gast übernachten kann. Ihre Besitzer sind streng genommen nicht immer Maharadschas (in Rajasthan wird auch die Bezeichnung Mahawaral verwendet), sondern oft Radschas, ohne „Maha“, lediglich Fürsten also, keine Großfürsten. Oder Prinzen. Oder Kronprinzen, die indische Adelswelt ist ziemlich komplex. Um Geld zu verdienen, haben die Besitzer der alten Paläste sie zu sogenannten Heritage Hotels umbauen lassen; sie selbst leben meist nur noch in Teilen der pompösen Anlagen. „Wohnen wie ein Maharadscha“ ist dabei längst nicht so teuer, wie es klingt: Standardzimmer gibt es bereits ab 50 Euro. Je nach Palast kann eine Nacht allerdings auch ein paar hundert kosten.
Mein Zimmer hatte ich für knapp 80 Euro reserviert. Ein Angestellter führte mich durch mehrere Flure und Treppenhäuser zu einer mächtigen Doppeltür, schloss sie auf und schaltete das Licht ein. Das Zimmer war geräumig. Sehr geräumig. Leider hatte es keine Fenster. Es gab auch kein Bett. „Folgen Sie mir“, sagte der Angestellte und öffnete eine weitere Tür, hinter der sich ein weiterer Raum befand, und dahinter ein weiterer, und dann standen wir im Schlafzimmer.

Es war ungefähr so groß wie meine komplette Wohnung zu Hause. Die hat allerdings keinen Balkon mit Seeblick. Und auch keine Gänge, die weiterführen. „Links geht es in die Ankleidezimmer und Bäder, rechts ins Wohnzimmer, ins Arbeitszimmer und auf den Balkon zum Innenhof.“ Der Angestellte übergab den Schlüssel. „Sie haben ein Upgrade erhalten.“
Die nächste halbe Stunde: Orientierung. Inspektion. Meine Suite sah aus, als habe man nach 1947 nichts mehr in ihr verändert. Damals war Indien unabhängig geworden, seine 565 Fürstenstaaten wurden offiziell aufgelöst, und vorbei war es mit der Macht des Adels. Nichts in den Räumen schien in den Jahrzehnten danach angeschafft worden zu sein. Oder erneuert. Oder ausgebessert. Die Teppiche, die Fenster, die Fliesen in den Bädern und die Überwürfe auf Bett und Sofas ebenso wenig wie die alten Bakelit-Telefone und die altertümlichen Lichtschalter.

Die verblichenen Fotos an den Wänden zeigten Oldtimer vor dem Palast, schmuckbehangene Frauen und Jagdgesellschaften mit erlegten Tigern. Das Hotel sei charmant-verschroben, hatte ich im Internet gelesen. Die Aussage traf es ziemlich gut.
Schillernde Pfauen und duftende Rosen
Der Pfau auf dem Rasen im Garten stieß einen gellenden Schrei aus, als er mich aus der Tür treten sah. Augenblicklich schlug er ein Rad und sah finster zu mir herüber. Ein gepflasterter Pfad verlief Richtung See, in dem ein Tempel auf einer kleinen Insel stand. Überall blühten Rosen, ihr Duft hing in der heißen Spätnachmittagsluft Rajasthans, Bienen summten wie berauscht über den Blumen. Ein Gärtner in dunkelgrünem Fleecepullover, Cargohose und Turnschuhen nickte mir zu. „Schön, oder?“, meinte er, stand auf und klopfte sich die Erde von der Kleidung. „Weiter hinten blühen noch mehr.“ Er nickte in Richtung andere Gartenseite. Ich lief auch dahin, und noch zum See. Dann wurde es zu heiß.


Prächtig: Innenhof und Suite des Udai Bilas Palace.
In der Suite klingelten alle Bakelit-Telefone gleichzeitig: die Rezeption. Das Abendessen werde um sieben serviert. Vorher allerdings würde Mr. Singh mich gerne auf Drinks einladen. Mir wurde kurz blümerant. Drinks mit dem Maharadscha! Heiliger Krishna! Gütiger Ganesh! Hektisch suchte ich nach einem möglichst wenig zerknitterten Hemd. Und einer Hose ohne allzu viele Spuren des indischen Reisealltags. Als es eine halbe Stunde später klopfte, sah ich tatsächlich halbwegs passabel aus.
Oldtimer und Gin Tonics
Vor der Tür stand der Hausherr. Er trug die gleiche vornehme Kleidung wie bei meiner Ankunft. Wir gingen durch mehrere Flure und Treppenhäuser und anschließend über einen Teil des Palastgeländes, der von Laternen erleuchtet wurde. Mein Gastgeber sprach die ganze Zeit über kein Wort. Dann kamen wir zu einem Nebengebäude, die breiten Tore waren weit geöffnet. In der Halle dahinter standen Dutzende Oldtimer. Und der Gärtner aus den Rosenbeeten, immer noch in Cargohosen, Fleecepulli und Turnschuhen. Mein Begleiter hielt abrupt inne. „Guten Abend“, sagte der Gärtner. „Ich bin Harshvardhan Singh, der Maharawal von Dungarpur, und das sind meine Oldtimer.“
Nachdem der elegante Rezeptionschef des Hotels wortlos verschwunden war und ein Angestellter zwei Gin Tonics gereicht hatte, zeigte der Maharadscha seinem – leicht irritiertem – Gast die Sammlung historischer Fahrzeuge, die als wertvollste Nordindiens gilt: den 47er Packard Clipper Deluxe, den Cadillac Series 62 von 1950, das Steyr 220 Cabrio von 1937, fast 50 Oldtimer insgesamt. Ein Aufzug führte zu einer gläsernen Bar, die wie eine Art Cockpit über den Autos schwebte. Shri Harshvardhan Singh nahm einen großen Schluck und erzählte, dass die Halle einst das alte Kutschenhaus der Herrscherfamilie von Dungarpur gewesen sei.

Er seufzte leise, als ob er sich just in diesem Moment an die Zeit erinnerte, als seine Vorfahren noch keine Reisenden aus Europa bewirten mussten, um ihre Rupien zu verdienen. Und in der „Maharadscha“ oder „Radscha“ noch so viel mehr waren als bloß noch Höflichkeitstitel für die Oberhäupter der Herrscherfamilien. „Sie machen sich keine Vorstellung davon, was der Erhalt dieses Gebäudes kostet“, meinte er, offenbar ahnte er die Gedanken seines Gastes. „Mit ein paar vermieteten Zimmern schaffen Sie das nicht.“
Muss er auch nicht. Shri Harshvardhan Singh war Mitglied des indischen Oberhauses und saß in mehreren Ministerien, Ausschüssen und Aufsichtsräten. Außerdem besitzt er große Waldflächen und ist in der Forstwirtschaft erfolgreich. Als sein Vater 2022 starb und er die Nachfolge des Herrscherhauses antrat, zog er sich von seinen politischen Ämtern zurück. Beim Dinner erzählte er, dass er nun hoffentlich mehr Zeit für Umwelt- und Artenschutz habe, der läge ihm am Herzen. Außerdem müsse er sich dringend um den alten Familienpalast kümmern. Den ursprünglichen, von dem aus die Herrschaft seiner Familie vor 800 Jahren begann und der in der Nähe von Dungarpur allmählich zu zerbröckeln droht. „Noch so eine Baustelle.“
Am Ende habe ich ihn dann noch nach seinem vollen Namen gefragt. Wenn man bei der Begrüßung des 35. Maharawal von Dungarpur alles, aber wirklich alles richtig machen möchte, spricht man ihn am besten mit His Highness Rai-Rayan Mahi-Mahendra Maharajadhiraj Ravi Kula Bhushan Shri Maharawal Shri Harshvardhan Singhji Bahadur an. Falls man sich das merken kann. Es ist auf jeden Fall ähnlich kompliziert wie der Rückweg in meine Gemächer, in stockfinstrer indischer Nacht und nach drei Gin Tonic.