21.03.2024

Reiseleiter führen Reiseleiter

Studiosus verwendet viel Zeit für die Auswahl und Ausbildung seiner Reiseleiter. Wir haben einen Einführungskurs in München begleitet, bei dem sich sechs Bewerberinnen und Bewerber bewähren mussten. Was nicht einfach war, denn Stolpersteine warteten überall ...

Reiseleiter führen Reiseleiter

Christoph Krohm hört den Mann mit der Bohnermaschine als Erster, aber natürlich lässt er sich nichts anmerken: Ein schneller Blick über die Schulter und ein zweiter hinüber zu Angela Ben Aïssa, dann ist er wieder ganz bei dem neuen Reiseleiter, der gerade von den Architekten der Theatinerkirche erzählt. Der Mann mit der Maschine kommt jetzt näher, das Brummen wird intensiver. Die ersten aus der Gruppe schauen irritiert oder runzeln die Stirn, was man so macht, wenn man zuzuhören versucht, während ein paar Schritte weiter ein Mann mit einer Bohnermaschine den Boden einer Kirche bearbeitet. Der Reiseleiter spricht lauter. Und noch lauter. Er verliert den Erzählfaden, kommt nicht auf den Namen der Apostelfiguren am Hochaltar, verwechselt Markus mit Petrus, entschuldigt sich, setzt neu an, bevor er endlich kapituliert vor der dröhnenden Geräuschkulisse und seine Gruppe lautstark auffordert, ihm doch nach draußen zu folgen. Zu spät, wird Christoph Krohm ihm dort später während einer Feedbackrunde sagen, viel zu spät: „Das hätte man deutlich früher machen müssen. Den Standort wechseln. Bevor Sie unsere Gäste anschreien mussten.“ Der Reiseleiter nickt. „Aber davor haben Sie sehr schön zum Thema hingeleitet“, sagt Krohm, „das hat mir ausnehmend gut gefallen.“

Christoph Krohm aus der Abteilung "Reiseleiter-Aus- und Weiterbildung" während des Seminars in München.

Erstklassige Reiseleiter dank intensiver Auswahl und Ausbildung

Über 560 Reiseleiterinnen und Reiseleiter sind weltweit für Studiosus unterwegs, und die allermeisten von ihnen haben diese Momente schon erlebt: Dass während eines Seminars plötzlich etwas Unvorhersehbares ihren schönen Plan durchkreuzt – und ein Coach ihres Arbeitgebers sich anschaut, wie sie damit umgehen. Seminare mit solchen Übungen gehören bei Studiosus zur Unternehmensphilosophie. Kein anderer Veranstalter in Europa legt auch nur annähernd so viel Wert auf die Qualifikation seiner Reiseleiter, kein anderer steckt so viel Zeit und Mühe in deren Auswahl, Aus- und Weiterbildung. Studiosus-Reiseleiter und -Reiseleiterinnen gelten dann folgerichtig auch als die Besten ihrer Branche. Dass die Kundenzufriedenheit mit Studiosus-Reisen bei 96,6 Prozent liegt, hat auch mit ihnen zu tun. Vielleicht sogar vor allem.

„Für unsere Gäste sind Sie die Personen, die eine oder zwei Wochen lang das Unternehmen verkörpern. Sie SIND gewissermaßen Studiosus.“ Das kommt jetzt von Angela Ben Aïssa, die zusammen mit Christoph Krohm die mehrtägigen Seminare in München organisiert. Ben Aïssa leitet die Abteilung „Reiseleiter-Aus- und Weiterbildung“ im Unternehmen, Krohm ist dort Referent. Eine solche Abteilung gibt es nirgendwo sonst in der Branche. Das mehrtägige Auswahl- und Einführungsseminar in München ist Teil eines langen Prozesses, den künftige Reiseleiterinnen und -leiter durchlaufen. Dieses Mal sind sechs Teilnehmer dabei, Quereinsteiger und Berufsneulinge, aber auch erfahrene Guides, die neu im Unternehmen sind. Alle sollen lernen, was ein Reiseleiter bei Studiosus können muss. Und sollte. Und darf. Alle sollen aber auch gezeigt bekommen, wie viel Platz für Individualität ihr Job bietet. Für eigene Ideen. Für frische, ungewohnte Ansätze.

Angela Ben Aïssa, Leiterin der Abteilung „Reiseleiter-Aus- und Weiterbildung“ bei Studiosus.

Theorie und Praxis

Im theoretischen Teil eines Seminars geht es erst einmal um Grundsätzliches: Wer sind wir? Was möchten wir? Was wollen wir auf gar keinen Fall? Und warum ist uns Nachhaltigkeit so wichtig? Ziemlich schnell kommen Ben Aïssa und Krohm dann aber zu all den Punkten, die eine Reise mit Studiosus zu einer Studiosus-Reise machen: lebendig über Land und Leute erzählen. Freiräume lassen, Gäste als Individuen wahrnehmen. Für einen reibungslosen Ablauf sorgen und für genügend Pausen. „Es wird Ihnen sehr helfen, wenn Sie Teil Ihrer Gruppe werden. Gehen Sie mit, wenn gemeinsam zu Abend gegessen wird – Sie bekommen dann sehr schnell ein Gefühl für Stimmungen und Schwingungen.“ Und, ebenfalls sehr wichtig: die Spontaneität. „Wenn sich die Möglichkeit zu einem Plausch mit Einheimischen ergibt – ergreifen Sie sie. Unsere Gäste lieben solche Begegnungen. Die Hochzeit in der Kirche, bei der Sie kurz Halt machen: Davon wird Ihre Gruppe noch jahrelang erzählen. Und noch länger, wenn sie Braut und Bräutigam gratulieren konnten.“

Überhaupt: Die kleinen Erlebnisse am Rande des Programms. Viele lassen sich nicht planen – man kann sie aber als solche erkennen, wenn man ein Gespür dafür entwickelt. „Sie sehen, wie zwei Musiker gerade die Mikrofone verkabeln? Ändern Sie Ihren Ablauf! Gehen Sie erst hinüber zur Kirche – und kommen Sie dann zum Platz zurück, wenn die beiden mit ihrem Flamenco begonnen haben.“ Je emotionaler ein Erlebnis, desto intensiver die Erinnerung daran, wird Christoph Krohm später erklären. „Und lassen Sie die Leute Dinge selbst ausprobieren!“ Der Mensch behalte gerade mal zwanzig Prozent von dem im Gedächtnis, was er erzählt bekomme – aber neunzig Prozent von dem, was er mit eigenen Händen mache. „Die Leute auf einem arabischen Markt die Zutaten für das Picknick in der Wüste selbst einkaufen lassen – das ist viel, viel besser als ihnen zu sagen, dass Sie schon alles besorgt haben.“

Flexibilität an der Stadtmauer

Am nächsten Tag steht die Gruppe am letzten erhaltenen Rest von Münchens mittelalterlicher Stadtmauer. Die Reiseleiterin in spe weiß erst seit dem Vortag, dass sie hier einen kurzen Vortrag halten soll. Gestern Abend hat sie sich den Ort angesehen, aber heute Vormittag sind die Bedingungen dort völlig anders. Die Sonne knallt, es gibt keinen Schatten und auf dem Bürgersteig keinen Platz, weil mehrere Lieferwagen ihn blockieren. Ob sie denn alles umgesetzt habe, wie sie es sich vorgestellt habe, will Ben Aïssa später von ihr wissen. Nein, sagt die angehende Reiseleiterin, sie sei da etwas überrascht worden von den Umständen. „Haben Sie trotzdem gut gemacht. Vielleicht hätte man die Geschichte der Stadtmauer da hinten im Schatten unter den Bäumen erzählen sollen. Anschließend hätte man dann einfach an ihr vorbei schlendern können.“

Angehende Studiosus-Reiseleiterinnen und -Reiseleiter zeigen, was sie können.

Vieles von dem, was Ben Aïssa und Krohm den Reiseleitern während des Seminars vermitteln, wird bei deren späteren Einsätzen wirken, ohne, dass die Gäste es überhaupt bemerken. Die Wahl des Standorts im Schatten. Die deutliche Aussprache, die passende Lautstärke, das Sprechtempo, bei dem jeder mitkommt. Studiosus-Gäste werden nicht mit immer neuen Jahreszahlen traktiert und auch nicht mit einer endlosen Abfolge an Herrscher- oder Architektennamen. „Mut zur Lücke!“, haben Ben Aïssa und Krohm den Reiseleiterinnen und -leitern am Ende mehrmals ans Herz gelegt, und: „Suchen Sie sich ein Highlight. Etwas, das Sie selbst begeistert. Und erzählen Sie ruhig auch, warum das so ist.“ Die Individualität des Reiseleiters mit den Wünschen des Kunden in Einklang zu bringen, erklärt Krohm: Das sei das Ziel.

Immer wieder ermutigen Ben Aïssa und er die Seminarteilnehmer deshalb auch, Gäste mit eigenen Ideen zu überraschen. Ein vorgelesenes Kapitel aus „Tausendundeiner Nacht“ macht den Besuch eines Museums in der arabischen Welt unvergesslich, eine mitgebrachte Tageszeitung mit einer Schlagzeile wie „Neue Heimspiel-Taktik: So will Bayern-Trainer Tuchel München begeistern!“ vermittelt mehr über die Stimmung in der Stadt als jeder Lexikon-Eintrag. Und die Studiosus-Headsets bieten viel mehr Möglichkeiten, als nur zu den Gästen zu sprechen. „Legen Sie ihnen Musik aufs Ohr, die zum Ort passt. Oder Geräusche. Oder versuchen Sie mit einer kleinen Erzählung, die Welt von gestern herbeizubeschwören. Füllen Sie den Ort mit Leben! Wie hat das hier ausgesehen? Wie laut war es damals hier? Wer war hier unterwegs?“

Auf Zeitreise vor der Feldherrnhalle

Wie man das geschickt umsetzen kann, zeigt kurz darauf ein weiterer Seminarteilnehmer bei seinem Einsatz an der Münchner Feldherrnhalle: Der Reiseleiter versetzt die Gruppe zurück ins Jahr 1923, als Hitler mit seinen Anhängern auf die Halle zumarschierte und ihm nur eine Handvoll bayerischer Polizisten gegenüberstand. „An diesem Novembermorgen war es sehr, sehr neblig“, erzählt er, „die Polizisten haben die andere Straßenseite nicht gesehen. Aber gehört haben sie die Putschisten! Zuerst nur sehr leise und weit weg, aber dann wurden die Geräusche allmählich lauter. Sie kamen näher! Und jetzt konnte man hören, wie die Stiefel auf das Pflaster knallten. Was ging in dem Moment in den braven Polizisten vor? Welche Angst kroch denen den Rücken hinauf? Die wussten ja noch nicht einmal, wie viele Männer da auf sie zumarschierten. Die schauten in den Nebel und warteten darauf, dass die Putschisten aus ihm auftauchten.“ Der junge Reiseleiter macht das sehr gut. So gut, dass die Seminarteilnehmer vor der Feldherrnhalle die anmarschierenden Putschisten selbst zu hören glauben. Hundert Jahre nach jenem schicksalhaften Novembermorgen.

Je länger das Seminar dauert, desto sicherer werden die Teilnehmer – was auch damit zu tun hat, dass Ben Aïssa und Krohm für jedes denkbare Szenario eine Lösung anbieten. Einer der Gäste mosert ununterbrochen? „Fragen Sie, was Sie seiner Meinung nach denn tun könnten, damit er sich besser fühlt.“ Bestimmte Teilnehmer kommen immer zu spät? „Machen Sie klar, dass eine Abfahrtszeit um 15 Uhr keine Option ist, sondern eine Abfahrt um 15 Uhr meint.“ Kritik nach den Übungen wird sanft geäußert; Tipps klingen wie gut gemeinte Ratschläge und nie nach Anweisungen. „Wir möchten, dass Sie mit einem guten Gefühl unterwegs sind. Einen Vertrauensvorschuss bei unseren Gästen haben Sie sowieso.“

Der nächste Schritt wird für die neuen Kolleginnen und Kollegen dann bald ihre erste Reise sein. Nicht allein – sie begleiten einen erfahrenen Studiosus-Reiseleiter. Und dann folgt irgendwann die erste Reise unter eigener Regie. Hoffentlich eine ohne zugeparkte Gehsteige. Und eine ohne Mann mit Bohnermaschine.

Tipp:

Mehr über Studiosus-Reiseleiterinnen und -Reiseleiter erfahrt ihr in unserem kurzen Film (3:22 Min.).