Land & Leute
Wo steht das älteste Hotel der Welt? Warum wird das wichtigste Heiligtum des Landes alle 20 Jahre abgerissen und wieder aufgebaut? Und was macht das Unternehmen Muji so erfolgreich? Hier erfahrt ihr es!

Die Kunstinsel
Über ein Jahr lag er nicht mehr am Ende des Stegs hinaus ins Meer, nun ist das Wahrzeichen von Naoshima und der beliebteste Instagram-Ort der Insel zurück. Der überdimensionale gelbe, gepunktete Kürbis von Yayoi Kusama war während eines Sturms von einer Welle zerstört worden. Die mittlerweile fast hundertjährige Künstlerin hat dann einen Nachfolger gefertigt, um die Sammlung an Open-Air-Objekten auf der Insel wieder zu vervollständigen.

An keinem anderen Ort Japans wird die Nähe von Architektur, Kunst und Natur so sichtbar wie auf dem knapp acht Quadratkilometer großen Naoshima in der Seto-Inlandsee. Mehrere Museen zeigen u. a. Arbeiten von Bruce Nauman, James Turrell und Claude Monet und sind mit ihrer Architektur gleichzeitig selbst Kunstwerke. Japans wichtigster Architekt Tadao Ando hat seine Handschrift vor allem aber im Ort Honmura hinterlassen, wo er ein historisches Holzgebäude in ein modernes Museum verwandelt und verlassene Fischerhäuser für Kunstwerke geöffnet hat. Übrigens sind auch zwei Nachbarinseln mittlerweile zu Kunststandorten geworden. Von Naoshima aus kann man mit der Fähre zu ihnen fahren.
52 Generationen Gastfreundschaft
Das älteste Hotel der Welt steht in einem Ort mit gerade mal tausend Einwohnern: Das Nisiyama Onsen Keiunkan in Hayakawa wurde im Jahr 705 gegründet. Es ist seither ununterbrochen geöffnet und immer noch im Besitz jener Familie, die es vor gut 1300 Jahren in Betrieb genommen hat. Beziehungsweise vor 52 Generationen. Wie so oft in Japan war die Nähe zu heißen Quellen ausschlaggebend für die Wahl des Standorts: Schon kurz nach der

Eröffnung sollen sich ein Shogun und seine Samurai hier von den Anstrengungen einer Schlacht ausgeruht haben. So etwas spricht sich natürlich herum; bis heute wirbt das Hotel mit solchen Geschichten. Die heutige Anlage ist deutlich größer (und deutlich moderner) als damals, die Berge und Wälder scheinen unverändert. Und das Thermalwasser ist auch noch da.
Alle 20 Jahre wieder
Zum wichtigsten Shinto-Heiligtum des Landes in Ise kommen jährlich sechs Millionen Pilger. Es liegt mitten im Wald und besteht aus einem inneren und einem äußeren Schrein. Beide Gebäude werden alle zwanzig Jahre abgebaut und an einer anderen Stelle auf dem Gelände wieder neu errichtet, seit 1200 Jahren wird das so gemacht.


Um den Schrein kümmern sich hundert Shinto-Priester und 500 Mitarbeiter; die müssen u. a. darauf achten, dass rechtzeitig neue Zedern und Zypressen gepflanzt werden, um für einen Neubau in zweihundert Jahren genügend alte Stämme zu haben – für manche Gebäudeteile darf kein Holz von Bäumen verwendet werden, die jünger sind. Die regelmäßigen Neubauten sind Zeichen der immer wieder neuen Hingabe an das Göttliche. Manche Historiker glauben, dass die turnusmäßige Erneuerung des Ise-Schreins auch eingeführt wurde, um Technik und Wissen von einer Zimmermannsgeneration an die folgende weitergeben zu können. Der nächste Neubau steht 2033 an.
Design ist alles, der Designer nichts
Als Muji in den 1980ern die ersten Läden in Japan eröffnete, war das eine kleine Sensation: Da verkaufte ein Unternehmen Kleidung, Möbel, Kosmetika und Büroartikel komplett ohne Logo und Schriftzug – zu einer Zeit, in der sich Konsumenten erheblich über Luxusmarken und deren Signets definierten. Die No-Brand Muji ließ stattdessen renommierte Designer anonym für sich arbeiten.

Bis heute ist bei keinem Produkt ersichtlich, von wem es entworfen wurde; Kunden sollen Muji kaufen, weil ihnen das reduzierte Design gefällt und der hohe Gebrauchswert der Produkte. „Wir waren immer gegen Massenproduktion, Massenkonsum und die Wegwerfgesellschaft“, hat Mujis Direktor Satoru Matsuzaki immer wieder betont. Anfangs gab es gerade einmal vierzig verschiedene Artikel in den japanischen Geschäften, mittlerweile sind es über 7000 in über 800 Filialen weltweit. Und der Firmenname Muji? Ist eine Abkürzung für mujirushi ryōhin: „Markenlose Qualitätsware“.
Cappuccino zwischen Katzen und Ninjas
Angefangen hat alles vor etlichen Jahren mit Cafés, in denen Besucher bei Cappuccino und Latte Macchiato Katzen kraulen konnten. Weil das ziemlich erfolgreich war – und in Japan kaum jemand auf den Gedanken kommt, so etwas aus Tierschutzgründen fragwürdig zu finden –, eröffneten in Tokio anschließend Cafés mit Eulen, Wasserschweinen, Schlangen, kleinen Igeln oder Minischweinchen.

In den Maid-Cafés bedienen Angestellte in Hausmädchenkostümen und singen beim Servieren J-Pop-Hits, im Ninja-Café demonstrieren maskierte Angestellte, wie treffsicher sie mit Wurfsternen umgehen können. Deutlich ruhiger und romantischer ist eine Pause in einem der beliebten Afternoon Tea Cafés wie dem Haute Couture im Tokioter Stadtviertel Nakameguro mit jahreszeitlich wechselnder, überbordender Deko.
Jung und flip
Mit sieben Jahren stand sie zum ersten Mal auf dem Skateboard und ließ sich von ihrem großen Bruder zeigen, wie man fährt. Mit elf sah sie im Fernsehen, wie ein japanisches Mädchen mit einem Move olympisches Gold gewann, den sie selbst längst beherrschte. Coco Yoshizawa wusste lange Zeit nicht, wie gut sie auf dem Skateboard ist. Aber seit sie im Sommer 2024 mit 14 Jahren bei den Olympischen Spielen in Paris dann selbst oben auf der Siegertreppe stand, weiß es die ganze Sportwelt.

Ihr perfekter „Spin Flip Frontside Boardslide“ brachte den Erfolg: Coco ließ ihr Board dabei einmal um die Längsachse rotieren, drückte es dann auf ein Geländer und rutschte es hinunter. Auf den Straßen Tokios (und jeder anderen japanischen Stadt) hätte sie für so ein Kunststück übrigens ein deftiges Bußgeld kassiert – Skateboarden ist dort verboten. In Paris gab es die Goldmedaille.
Coco Yoshizawa in Action: https://www.youtube.com/watch?v=qQwseBIRXYo
3 Sterne sind nicht genug
Der 7-Sterne-Koch gilt als einflussreichster Küchenchef ganz Asiens. In seinen Restaurants in Kyoto und Tokio schlägt der 73-jährige Yoshihiro Murata Brücken zwischen dem Alten und dem Neuen, dem Regionalen und Internationalem, dem Bewahren der Tradition und dem Fortschritt. In seiner Japanese Culinary Academy arbeiten hunderte Mitarbeiter u. a. an der Frage, wie eine nachhaltige Küche der Zukunft aussehen kann.



© Yoshihiro Murata / Kikunoi main Restaurant
Dass Murata den Rest der Welt beinahe im Alleingang mit der Kochkunst Japans bekannt machte, hat ihm in der Heimat Heldenstatus eingebracht. „Als ich vor einem halben Jahrhundert nach Paris ging, wussten die Leute dort noch nicht einmal, wo Japan liegt“, hat er in seinem Interview gesagt, „geschweige denn, was man dort isst.“ Das hat sich mittlerweile geändert. Und Yoshihiro Murata hat eine Menge dazu beigetragen.
Instagram-Kaiser
Die japanische Monarchie ist die älteste ununterbrochene der Welt, und der aktuelle Tenno Naruhito der 126. Herrscher auf dem Chrysanthementhron. Noch für seinen Vorgänger wäre es undenkbar gewesen, das Kaiserhaus auch nur einen Spaltbreit für das Volk zu öffnen. Naruhito und Kaiserin Masako lockern das jahrhundertealte Protokoll mittlerweile hier und da ein wenig.

Inzwischen gibt es sogar einen Instagram-Account: Auf @kunaicho_jp kann man Reels und Fotos der kaiserlichen Familie sehen. Zu viel erwarten sollte man allerdings nicht: Die allermeisten Aufnahmen wirken sehr offiziell. Nur ab und an gibt es einen Blick in die private Welt der kaiserlichen Familie: Dann sieht man Filetstücke auf einem Grill. Oder den Vollmond über einem japanischen Wald.