31.03.2022

Land & Leute

Wer sind die zwei berühmtesten Söhne Málagas? Warum ist das Dorf Júzcar von oben bis unten blau? Und was hat es mit den allgegenwärtigen riesigen Stierfiguren auf sich?

Land & Leute

Liebesleben im Museum

Pablo Picasso ist wohl der berühmteste Sohn Andalusiens. Er wurde 1881 in Málaga geboren, zuletzt hielt er sich allerdings mit 19 Jahren in seiner Geburtsstadt auf – ihn zog es eher nach Frankreich. Dennoch ist man in Málaga mächtig stolz auf das Malergenie. Im 2003 eröffneten Picasso-Museum sind dank Schenkungen und Leihgaben von Picassos Schwiegertochter und Enkeln über 200 Kunstwerke des Meisters zu sehen, darunter viele Porträts seiner Frauen. Ein Gang durchs Museum gleicht einer Reise durch Picassos Liebesleben: 1917 heiratete er die russische Balletttänzerin Olga Kokhlova. Die Beziehung fand 1935 ein jähes Ende, als Olga von Picassos Geliebter Marie-Thérèse Walter erfuhr. Diese betrog er schon bald mit Dora Maar, die bis 1943 seine Geliebte war. Die nächste Muse an seiner Seite hieß Francoise Gilot. Letzte Lebensgefährtin – und zweite Ehefrau – des Malers war von 1954 bis zu seinem Tod 1973 die 46 Jahre jüngere Jacqueline Roque. Allein von ihr malte er rund 400 Porträts.

Picasso beschirmt seine Muse Francoise Gilot.

Sexsymbol und Katzen-Shrek

Wie Picasso ist auch Antonio Banderas in Málaga geboren. Kein Wunder, dass er in seiner langen Karriere als Schauspieler auch einmal dieses Malergenie verkörperte: in der Serie „Genius“ von 2018. Der heute 61-Jährige wurde Ende der 1980er-Jahre mit Filmen des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar bekannt, siedelte wenig später nach Hollywood über, wo er es mit Blockbustern wie „Philadelphia“, „Evita“ oder „Die Maske des Zorro“ zu internationaler Berühmtheit brachte. Dem gern als Latin Lover besetzten Banderas gelang es, sich gegen dieses Klischee zu behaupten. Zum Beispiel lieh er auch dem gestiefelten Kater im Animationsfilm „Shrek“ seine Stimme oder wurde als Regisseur tätig. Jetzt knüpft er an seine Anfänge an: Er spielte 2019 wieder in einem Film von Almodóvar – “Leid und Herrlichkeit“ – mit und erhielt dafür den Goya, den wichtigsten spanischen Filmpreis, als bester Hauptdarsteller sowie Nominierungen für den Oscar und den Golden Globe. Und in seiner Geburtsstadt Málaga kaufte er das renovierungsbedürftige Teatro del Soho. Im November 2021 feierte hier das Broadway-Musical „Company“ Premiere – Banderas steht darin selbst auf der Bühne.

Antonio Banderas im Musical "Company" in Málaga.

Das andalusische Schlumpfhausen

Mit 9000 Litern Farbe ließ Sony Pictures 2011 das ehemals weiße Dorf Júzcar in strahlend hellem Blau anstreichen – und hat es so zur perfekten Werbekulisse für die Premiere des Films „Die Schlümpfe“ gemacht. Den Einwohnern gefiel’s und sie sprachen sich mehrheitlich gegen eine ihnen von Sony zugesagte Rückverwandlung ihres Dorfes aus. Lieber vermarkten sie ihr Dorf jetzt als andalusisches Schlumpfhausen. Mehr als 100.000 Menschen haben den Ort mittlerweile besucht. Das große Interesse inspiriert Júzcars Bewohner zu immer neuen Ideen. Es gibt „Schlumpfhochzeiten“, und auch ein „Schlumpfmarkt“ wird regelmäßig organisiert – dann verkleiden sich die Einwohner zur Freude ihrer Gäste als waschechte Schlümpfe.

Der Osborne-Stier

Oft trifft man in Andalusien an Landstraßen auf die Silhouette eines riesigen Stiers. Seit 1957 werben die rund 14 Meter hohen und fünf Tonnen schweren Figuren aus massiven Blechplatten für den andalusischen Sherry- und Brandyproduzenten Osborne. Als in Spanien in den 1980er-Jahren Werbung am Straßenrand verboten wurde, entfernte das Unternehmen seinen Namen von den Stieren. 1994 verlangte eine Verordnung den Abbau aller Stiere. Dagegen liefen zahlreiche Gemeinden, Kulturvereinigungen, Künstler und Politiker Sturm. Der Streit ging vor Gericht, und der spanische Oberste Gerichtshof urteilte 1997 zugunsten der Osborne-Stiere. In der  Urteilsbegründung heißt es, die Aufsteller besäßen mehr als ihren ursprünglichen Werbecharakter und seien mittlerweile in die Landschaft integriert. Tatsächlich ist der Reklamestier zu einem Symbol Spaniens geworden. Die Stiersilhouette wird als Autoaufkleber und Reiseandenken verkauft und findet sich oft sogar auf der spanischen Flagge wieder. Rund 20 dieser Werbestiere stehen in Andalusien, weit mehr als in anderen spanischen Regionen.

Das Lachen des Internets

Eigentlich wollte er in einer TV-Sendung nur erzählen, wie ihm als junger Tellerwäscher einmal ein Missgeschick passiert war – doch das Video von diesem Interview schrieb Internetgeschichte. Denn Juan Joya Borja konnte vor allem eines: lachen. So kam der 1956 in Sevilla geborene Komiker auch zu seinem Spitznamen: El Risitas, der Kichernde. Sein Glucksen, Quietschen und Gackern war so ansteckend, dass sich Millionen von Menschen den Clip auf YouTube ansahen. Und mehr noch: Borjas Lachen wurde zum Meme. Das ursprüngliche Video wurde ab 2014 vielfach mit geänderten Untertiteln wieder hochgeladen, sodass sich El Risitas nun über alles Mögliche lustig machte. Über das neue MacBook, den Brexit, Hamsterkäufe in Corona-Zeiten oder den ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi. Am 28. April 2021 ist das Lachen verstummt, Juan Joya Borja verstarb mit 65 Jahren an Herzversagen in seiner Heimatstadt Sevilla.

Teenager mit Superkräften

Wenn sie den Kopf senkt, den Blick fixiert, die Hand ausstreckt und ihre übersinnlichen Fähigkeiten auspackt – dann möchte man lieber nicht im Weg stehen. Mit Wucht spielt Millie Bobby Brown, 2004 im andalusischen Marbella als Tochter britischer Eltern geboren, das mysteriöse Mädchen Eleven in der erfolgreichen Netflix-Serie „Stranger Things“. Zwar hat die Schauspielerin nur vier Jahre an der Costa del Sol gelebt, doch ihre Geburtsstadt scheint ihr immer noch am Herzen zu liegen: „Marbella always feels like home“, heißt es zum Beispiel in der Werbekampagne für ihre Brillenkollektion. Und auf Social Media postet sie hin und wieder Schnappschüsse aus Andalusien, auch von früher, als sie noch ein „little Spanish baby“ war, wie sie schreibt. Für das spanische Baby von einst geht es heute nur in eine Richtung: nach oben. Ein paar Beispiele gefällig? Zwei Emmy-Nominierungen, Ernennung zur bisher jüngsten UNICEF-Sonderbotschafterin, 48 Millionen Follower bei Instagram, Model für Calvin Klein. Und die Liste ist noch nicht zu Ende. Sieht so aus, als würde Millie Bobby Brown auch im echten Leben über Superkräfte verfügen …

Klassiker

Wir können nicht genug „Gracias“ für diese Erfindung sagen: Irgendwann Anfang der 1970er-Jahre hatte ein Eisdielenbesitzer aus Málaga eine Idee. Prudente Dimas Mira mischte süßen Wein, Rosinen und Milch – fertig war seine Eiskreation, die auch noch heute in unzähligen Waffeln und Bechern weltweit zu finden ist. Hat der Málaga-Geschmack einen besonderen Hintergrund? „Ach, eigentlich nicht, er kam mir eben so in den Sinn“, plaudert der Erfinder rund 40 Jahre später in einem Interview mit der „Welt“ aus. Er möge einfach Rosinen und Málaga-Wein. Ende der Geschichte. Bei so viel Bodenständigkeit schmeckt uns Senor Miras Sorte gleich noch besser – da können die Rose-Himbeers, Zitrone-Basilikums und Schokolade-Ingwers dieser Welt noch so hip sein.

Besuch mit Folgen

Am 29. September 1883 lief es nicht sonderlich gut für Alfonso XII. An dem Tag weilte der spanische König zum Staatsbesuch in Paris – und wurde von den Einwohnern ausgebuht und mit Steinen beworfen. Daheim in Spanien kam diese Unhöflichkeit nicht gut an. Vor allem die Menschen in dem kleinen andalusischen Dorf Líjar waren mehr als beleidigt: Zwei Wochen später erklärten Bürgermeister und Stadtrat der französischen Republik den Krieg – inklusive hochoffiziellem Brief an den Präsidenten Frankreichs. Zwar kam es zu keinen bewaffneten Auseinandersetzungen, doch die Fehde auf dem Papier dauerte sage und schreibe 100 Jahre. Erst am 30. Oktober 1983 unterzeichneten der damalige Bürgermeister und der französische Konsul einen Friedensvertrag. Das Ereignis fand sogar Beachtung in den USA: „Präsident Francois Mitterrand hat nun ein Problem weniger“, kommentierte die „Washington Post“ trocken.

Jetzt wieder friedlich: das andalusische Dorf Líjar.