Land & Leute

Bollywood-Göttin mit Geschäftssinn

"Wenn Inder hinauf zur Leinwand schauen", hat Salman Rushdie geschrieben, "dann ist das so, als würden sie in den Himmel blicken". Auch deswegen werden Bollywood-Stars in ihrer Heimat geradezu vergöttert – und Priyanka Chopra Jonas ist da keine Ausnahme. Eigentlich wollte sie Flugzeugingenieurin werden, doch ihre Eltern meldeten sie heimlich bei einem Schönheitswettbewerb an. Im Jahr 2000 wurde sie zur Miss World gekürt, anschließend rief Bollywood an.

Chopra Jonas war die erste Inderin, die eine Hauptrolle in einer US-amerikanischen Prime-Time-TV-Serie erhielt ("Quantico", 2015–2018) und spielte im Film "Der weiße Tiger" (Netflix) mit. Die 42-Jährige singt, modelt und ist mit dem Sänger Nick Jonas verheiratet, sieht sich aber trotz aller Showbiz-Popularität eher als Unternehmerin: Sie investiert in Technologie-Start-ups, produziert mit einer eigenen Firma Filme und besitzt ein Restaurant in New York. Außerdem engagiert sie sich für die Bildung von Mädchen in Indien, ist UNICEF-Botschafterin und hilft dabei, indische Dörfer mit Solarenergie zu versorgen.    

Moderne Maharadschas

Der Unterschied zwischen bettelarm und megareich ist wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt so groß wie in Indien, wo es mittlerweile über 200 Milliardäre gibt (und übrigens auch 200 Millionen Menschen, die der Mittelschicht angehören). Namen wie Mukesh Ambani, Gautam Adani oder Shiv Nadar dominieren nicht nur die Forbes-Listen, sondern auch ganze Industrien, vom Energiesektor über die Telekommunikation bis hin zum Technologiebereich. Die meisten dieser Superreichen leben in Saus und Braus, zeigen offen ihren Luxus und lassen sich für Spenden feiern wie einst die Maharadschas.

Doch in letzter Zeit werden auch kritische Stimmen laut: Könnten Indiens Superreiche nicht mehr für eine gerechtere Gesellschaft tun? Und ist ihnen nicht bewusst, dass sie mit den pompös inszenierten Hochzeiten ihrer Kinder andere Paare dazu animieren, sich für die eigenen Hochzeiten hoch zu verschulden? Mukesh Ambani, mit einem Vermögen von rund 116 Milliarden US-Dollar der reichste Mann Indiens, lud für die Hochzeit seinen Sohnes im Juli 2024 50.000 Menschen seiner Heimatstadt zum Essen ein. Klingt großzügig? Kommt darauf an. Die mehrwöchige Hochzeitsfeier soll bis zu eine Milliarde US-Dollar gekostet haben. Gefeiert wurde nur wenige Kilometer vom größten Slum Indiens entfernt.

Ausgezeichnet und mutig

"Der Gott der kleinen Dinge" machte die Schriftstellerin 1997 zu einem literarischen Weltstar wider Willen. Sie habe eigentlich nie im Rampenlicht stehen wollen, hat Arundhati Roy gesagt – der Erfolg des Romans aber habe ihr die Möglichkeit gegeben, als Aktivistin und Globalisierungskritikerin gehört zu werden. Auch deshalb sind bis heute lediglich zwei weitere Romane von ihr erschienen (2017 "Das Ministerium des äußersten Glücks" und 2020 "Der Garten meiner Mutter"), dafür aber unzählige Essays, Vorträge und politische Interviews.

Die 1961 geborene Roy plädiert u. a. für die Abschaffung des Kastenwesens und protestiert gegen den immer stärker werdenden Hindu-Nationalismus. 2014 nahm das Time Magazine sie in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt auf. 2024 erhielt sie den PEN Pinter Prize für ihren "mutigen und furchtlosen" Einsatz für die Meinungsfreiheit. In ihrer Heimat wird sie mittlerweile mit Anklagen überzogen, um sie mundtot zu machen.

Mit 18 Jahren schon alles erreicht

"Chess is coming home", riefen Indiens Fernsehkommentatoren im vergangenen Jahr begeistert in die Kameras und erinnerten daran, dass Schach schließlich auf dem Subkontinent erfunden worden sei, und nun das: Ein 18-Jähriger aus Chennai wird jüngster Schachweltmeister aller Zeiten! Da hatte D. Gukesh in Singapur soeben Titelverteidiger Ding Liren besiegt und sich nicht nur den prestigeträchtigen Titel gesichert, sondern auch 2,5 Millionen US-Dollar Preisgeld.

Gukesh trat damit in die Fußstapfen von Indiens erstem Schachweltmeister (2007–2013) Viswanathan Anand, den er als seine Inspirationsquelle bezeichnet. Gukeshs eigener Aufstieg in der Schachwelt war rasant: Bereits mit zwölf Jahren wurde er Großmeister und löste in Indien eine Welle der Schachbegeisterung aus. Sein Weltmeistertitel wird diesen Boom sicherlich noch verstärken: Gut möglich, dass in indischen Kinderzimmern schon die Champions von morgen vor ihren Schachbrettern sitzen.

Wenn Millionen Pilger feiern

Das größte Pilgerfest der Welt wird alle zwölf Jahre in einer von vier heiligen Städten des Hinduismus gefeiert und zieht unglaubliche Menschenmassen an: Anfang 2025 kamen nach offiziellen Angaben über 660 Millionen Pilger nach Prayagraj (Allahabad) im Norden Indiens. Im Mittelpunkt des Festes standen die rituellen Waschungen der Pilger im Wasser des Ganges, der sich hier mit der – ebenfalls als heilig verehrten – Yamuna vereint (als dritter Fluss kommt die Sarasvati hinzu, die allerdings nur in der Mythologie existiert).

Die Organisation des 45-tägigen Events war hochkomplex: Auf einer Fläche von 40 Quadratkilometern wurden eine temporäre Stadt mit 150.000 Zelten zum Übernachten sowie elf Krankenhäuser errichtet. 160.000 Toiletten wurden aufgestellt, 50.000 Polizistinnen und Polizisten überwachten das Spektakel mit Hilfe von 2700 Kameras. Erstmals wurde dabei KI-gestützte Gesichtserkennung eingesetzt, um vermisste Personen leichter finden zu können. Trotz modernster Technik konnte allerdings nicht verhindert werden, dass bei einer Massenpanik mindestens 30 Menschen ums Leben kamen.

Lieferando auf Indisch

Täglich bringen Mumbais 5000 Dabbawallas über 200.000 Mittagessen in stapelbaren Metallboxen (den Dabbas) von den Haushalten in die Büros. In Indien mit seinen zahlreichen Religionen und Ethnien (und ihren jeweiligen Essensvorschriften) ist es für sehr viele Menschen wichtig, dass ihr Mittagessen aus der eigenen Küche kommt. Dafür sorgen die Dabbawallas. Ihr Service kostet umgerechnet fünf Euro im Monat. Hinter dem Lieferservice steckt ein ausgeklügeltes, aber archaisch wirkendes Codesystem aus Farben, Zahlen und Zeichen auf den Dabbas. Obwohl die Mittagessen per Fahrrad und Zug transportiert und bis zu vier Übergabestationen durchlaufen, wird statistisch gesehen lediglich eine von 16 Millionen Lieferungen falsch zugestellt. Eine. Von 16 Millionen.

Was in Mumbai zum Alltag gehört, sorgt außerhalb Indiens für große Bewunderung. Wissenschaftler haben das System analysiert, Queen Elizabeth II. lud eine Delegation der Dabbawallas zum Tee ein, der Film Lunchbox (2013) setzte ihnen ein cineastisches Denkmal. Und während Lieferdienste weltweit weiterhin an ihren Algorithmen feilen, beweisen die Dabbawallas jeden Mittag aufs Neue, wie wahre Experten Mahlzeiten zustellen.

Schon mal eine Kuh umarmt?

Vergiss den Valentinstag, das ist nur einer dieser westlichen Kulturimporte – feiere stattdessen den Cow-Hug-Day und umarme eine Kuh! Mit dieser Aufforderung  hat die indische Regierung Anfang 2025 viele Inderinnen und Inder verwirrt. Statt den Gedenktag eines christlichen Heiligen mit einem romantischen Abendessen zu begehen, sollen indische Paare am 14. Februar künftig eine Kuh umarmen – schließlich bilde das Tier das "Rückgrat der hinduistischen Kultur", argumentierte die hindu-nationalistische Regierung.

Die propagiert seit Jahren eine stärkere Rückbesinnung auf traditionelle Werte, und weil Kühe in Indien als heilig gelten, sollten sie nun eben mit dem Cow-Hug-Day geehrt werden. Nach der Ausrufung des Tages war das Internet voll mit Memes, Zeitungen druckten satirische Cartoons, TV-Moderatoren machten Witze. Möglicherweise war der erste Cow-Hug-Day gleichzeitig auch schon der letzte.

Wiege des Yoga

Yoga ist ein Wort aus dem Sanskrit und meinte ursprünglich so viel wie – Achtung – das "Anschirren der Zugtiere an den Wagen". Im übertragenen Sinne wurde daraus irgendwann so etwas wie "die menschlichen Sinne unter Kontrolle bringen". In Indien wird Yoga wahrscheinlich schon seit ca. 3000 Jahren praktiziert. In seinem Kern ist es – sehr vereinfacht gesagt – eine philosophische Lehre, die eine Reihe von geistigen und körperlichen Praktiken umfasst.

Im Westen wird Yoga allerdings oft auf seine körperlichen Übungen reduziert, die Asanas. Die dienen dazu, den Körper zu dehnen und zu entspannen und ihn so auf eine meditative Phase vorzubereiten (passend dazu gibt es die Mudras, bestimmte Finger- und Handhaltungen, die den Energiefluss im Körper anregen sollen). Mediziner sind sich inzwischen einig, dass Yoga bei Kopf- oder Nackenschmerzen, aber auch bei Durchblutungsstörungen oder Depressionen helfen kann. Außerdem führt regelmäßiges Dehnen zu einer größeren Beweglichkeit, die gerade im Alter wichtig ist.

Übrigens: Laut Duden kann man nicht nur "das Yoga" sagen, sondern auch "der Yoga".