Land & Leute

Welcher Berg gilt als "Gigant der Provence"? Was gehört alles in eine Bouillabaisse? Und welche Rolle kommt einem "Schweinchen" beim Lieblingsspiel der Südfranzosen zu? Hier erfahrt ihr es!

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Geselligkeit unter Platanen
Boule – und auch die südfranzösische Variante Pétanque – ist mehr als nur ein Spiel: Es ist eine Lebensart. Ob im Schatten von Platanen oder auf dem Dorfplatz, überall hört man das metallische „Klonk“ der Stahlkugeln. Die werden mit einem Wurf aus dem Stand möglichst nah am „Cochonnet“, dem Schweinchen, wie die Pétanque-Spieler die kleine Zielkugel nennen, platziert. Für Fans gibt es in Marseille die „Maison de la Boule“, ein Museum, das historische Kugeln zeigt und die Geschichte dieses beliebten Sports erzählt.

Hier erfährt man auch von einem kuriosen „Dopingfall“, der sich angeblich bei einem Turnier ereignet haben soll. Die Kugeln eines Spielers landeten systematisch in der Nähe des Schweinchens. Aber warum hatte dieser Spieler immer eine Hand in der Hosentasche? Der Betrug flog auf, als der Schiedsrichter dessen Hosentasche inspizierte und feststellte, dass sich darin ein starker Magnet befand, mit dem er die Bahn seiner Kugeln – die im Kern ebenfalls magnetisiert waren – manipulierte. Seitdem gibt es strenge Magnetkontrollen bei offiziellen Turnieren. Für die meisten Freizeitspieler bleibt Boule bzw. Pétanque jedoch ein entspannter und fairer Zeitvertreib – ganz ohne Tricks und Kontrollen!

Ikone der Gleichberechtigung
Auch wenn der Name der 1927 in Nizza geborenen Simone Veil hierzulande gar nicht so bekannt ist, zählt sie zu den einflussreichsten Persönlichkeiten Frankreichs des 20. Jahrhunderts. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert – nur ihre Schwester und sie selbst überlebten. Seitdem engagierte sie sich für Gleichberechtigung und Menschenrechte und wurde nicht müde, an den Holocaust zu erinnern.

Als Gesundheitsministerin (1974–1979) setzte sie im Parlament gegen erbitterte Widerstände das „Loi Veil“ durch, das die Abtreibung in Frankreich legalisierte. 2008 wurde sie in die Académie française aufgenommen, ein Jahr nach ihrem Tod erhielt Simone Veil die höchste posthume Ehrung Frankreichs: Sie wurde 2018 im Pariser Panthéon, dem Ort für Frankreichs Nationalhelden und
-heldinnen, beigesetzt.

Wegbereiter der modernen Kunst
Mit seinen revolutionären Perspektiven und der meisterhaften Darstellung von Licht und Farbe gilt Paul Cézanne (1839 – 1906) als Wegbereiter der modernen Kunst. Henri Matisse und Piet Mondrian sahen Cézanne als Pionier, der die Brücke zwischen Impressionismus und moderner Kunst schlug. Picasso nannte ihn sogar den „Vater von uns allen“. Das Atelier des Lauves, am Stadtrand von Aix-en-Provence gelegen, war Cézannes kreativer Rückzugsort. Hier schuf er viele seiner berühmten Werke, darunter seine legendären Darstellungen des Mont Sainte-Victoire.

Im Jahr 2025 wird Aix-en-Provence, die Geburtsstadt von Cézanne, mit einer Reihe von Veranstaltungen das Erbe des berühmten Sohnes feiern. Ein Highlight ist die internationale Ausstellung „Cézanne au Jas de Bouffan“ im Musée Granet, die vom 28. Juni bis 12. Oktober 2025 stattfindet. In deren Rahmen werden neben anderen Exponaten etwa 90 Gemälde von Cézanne, mit bedeutenden Leihgaben aus Museen weltweit, präsentiert. Parallel können Interessierte bedeutende Stätten aus Cézannes Leben besuchen, darunter den Familiensitz Bastide du Jas de Bouffan sowie sein Atelier des Lauves. Die Atmosphäre des Ateliers ist nach der Renovierung unverändert: Farben, Pinsel und sogar Cézannes Arbeitsmantel scheinen nur darauf zu warten, dass der Meister zurückkehrt.

Studiosus-Gäste können die Ausstellungen im Rahmen der Eventreise „Cézanne in Aix und Marseille“ besuchen.

Der Gigant der Provence
Der Mont Ventoux, oft als „Riese der Provence“ bezeichnet, erhebt sich majestätisch auf 1912 Meter und bietet eine atemberaubende Aussicht über die umliegenden Täler und bis hin zu den Alpen. Wanderer genießen abwechslungsreiche Routen durch Wälder, Lavendelfelder und die felsige Gipfelregion. Bereits 1336 erklomm der italienische Dichter Francesco Petrarca zusammen mit seinem Bruder den Gipfel. Diese historische Besteigung gilt als die Geburtsstunde des Alpinismus.

Der Ventoux ist aber auch bekannt für eine der härtesten Etappen der Tour de France. Darüber hinaus versuchen Radamateure aus aller Welt, die legendären Steigungen und den oft stürmischen Wind zu meistern. Der niederländische Film „Ventoux“ widmet sich genau diesem Thema und erzählt die Geschichte von vier Freunden, die nach 30 Jahren erneut den Mont Ventoux mit dem Fahrrad erklimmen. Während ihrer Reise werden sie mit Erinnerungen und einem Geheimnis aus ihrer Vergangenheit konfrontiert.

Das erste Nashorn in Europa
Vor der Küste von Marseille liegt die kleine, gerne von Touristen besuchte Île d’If. Auf der Insel befindet sich das Château d’If aus dem 16. Jahrhundert, das als Gefängnis diente und Schauplatz des Romans „Der Graf von Monte Christo“ war. Alexandre Dumas’ fiktiver Protagonist Edmond Dantès wurde unschuldig verhaftet und verbrachte 14 Jahre in dem Kerker, bis ihm 1829 die Flucht gelang.

Lange vor ihm, nämlich 1515, verbrachte ein Panzernashorn mehrere Monate auf der Insel, nachdem es von Indien nach Europa gebracht worden war. Schaulustige konnten das Tier als exotisches Wunder bestaunen, denn seit der Römerzeit hatte niemand mehr in Europa einen solchen Dickhäuter gesehen. Als Geschenk für Papst Leo X. sollte es schließlich weiter nach Rom verschickt werden, doch vor der Küste Liguriens geriet das Schiff in Seenot. Weil das Nashorn festgebunden war, konnte es sich nicht retten und ertrank. Auf Basis von Beschreibungen und einer Skizze und ohne es je selbst gesehen zu haben, fertigte der deutsche Künstler Albrecht Dürer das berühmte Holzschnitt-Bild „Rhinocerus“ an.

Rhinozeros / Albrecht Dürer

Obwohl es anatomisch fehlerhaft ist – das Nashorn trägt etwa eine Art Rüstung –, wurde das Bild für Jahrhunderte als wissenschaftlich korrekt angesehen. Dank der Holzschnitt-Technik konnte Dürers Nashorn massenhaft reproduziert werden und wurde zu einem der bekanntesten Tierbilder der Kunstgeschichte.

Ein Fest für die Sinne
Eine der farbenfrohsten und duftendsten Veranstaltungen an der Côte d’Azur ist das Zitronenfestival (Fête du Citron), das seit 1934 in Menton stattfindet. Immer im Februar verwandelt sich die Stadt in ein Paradies aus Zitrusfrüchten. Inspiriert von jährlich wechselnden Themen schmücken dann riesige Skulpturen aus Orangen und Zitronen die Straßen und Parks. Von Schlössern bis hin zu fabelhaften Figuren – die Kreativität der Konstruktionen ist scheinbar grenzenlos. An den Skulpturen ziehen farbenfrohe Paraden mit Musik, Tänzern und mit Zitrusfrüchten geschmückte Wagen vorbei.

Der Duft von über 140 Tonnen Zitrusfrüchten liegt in der Luft, leuchtende Farben und köstliche lokale Produkte wie Zitronenmarmelade und Limoncello sind ein Augen- und Gaumenschmaus. Bis heute erzählen die Einheimischen gerne, dass in den 1960er-Jahren ein prächtig geschmückter Wagen, dekoriert mit über 2000 Zitronen und Orangen, wenige Stunden vor dem Start als vermisst gemeldet wurde. Die ganze Stadt war in Aufruhr – schließlich ist die Parade das Highlight des Festivals. Nach einer fieberhaften Suche wurde der Wagen schließlich an einem Strand außerhalb der Stadt entdeckt. Zum Glück fehlten nur einige Zitronen und Orangen. Der Verdacht fiel auf Jugendliche, die den Wagen für ein „geheimes Picknick“ entführt haben sollen. Seither sorgt das Festival-Team dafür, dass jeder Obstwagen gut bewacht wird.

Von der Fischermahlzeit zur Gourmetspeise
Die Bouillabaisse ist mehr als nur eine Suppe – in Marseille verehrt man sie als ein Stück maritimes Kulturgut. Ursprünglich verkochten die Fischer in einem Sud aus Kräutern, Knoblauch und Olivenöl kleine, grätige und unansehnliche Exemplare ihres Fangs zu einer nahrhaften, deftigen Suppe. Zutaten wie Safran, hochwertige Meeresfrüchte wie z. B. Langusten und edlere Fische machen das Gericht im Laufe der Zeit immer raffinierter und teurer, und so entwickelt sich aus einer typischen Arme-Leute-Speise eine der exquisitesten Spezialitäten der Provence.

Traditionell wird die Brühe übrigens separat von den Fischen gereicht, damit jede Komponente ihr Aroma perfekt entfalten kann. Die Bouillabaisse gehört zur gastronomischen Kultur der Provence, die als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt ist. In einer Art „Bouillabaisse-Charta“, die 1980 in Marseille aufgestellt wurde, verpflichten sich Restaurants, die diese Charta unterzeichnen, das Gericht nach traditionellen Regeln zuzubereiten.

Bravo, Lucas!
Apropos kochen: Den 1988 in Nizza geborenen Lucas Bravo kennt ganz Frankreich – und dank Netflix auch der Rest der Welt. Er spielt den charmanten Koch Gabriel in der Serie „Emily in Paris“. In einem Interview mit „Entertainment Weekly“ erwähnt Bravo seine eigenen Kocherfahrungen und scherzt: „Manche Leute haben Stunt-Doubles, um aus Flugzeugen zu springen, und ich habe Stunt-Doubles, um mein Gemüse zu schneiden.“

Dabei würde er so gerne die Kochszenen selbst übernehmen, auch wenn er weit davon entfernt sei, so perfekt zu sein wie Gabriel: „Ich koche zwar gerne, aber bei mir landet eher mal verbrannter Toast auf dem Teller als ein perfektes Boeuf Bourguignon.“ Und wenn Bravo nicht gerade kocht, dann hält er nach, wie er sagt, anspruchsvolleren Filmrollen Ausschau und modelt u. a. für Chanel und L‘Oréal.