Land & Leute

Die hässlichen Fünf? Der größte Speisepilz? Namibias Schauspielstar? Modewoche in der Township? Kommt mit auf einen unterhaltsamen Streifzug durch Namibia!

Land & Leute

Das rote Volk

Diesen Beinamen verdanken die Himba, die als Halbnomaden in den Hochflächen des Kaokoveld ganz im Norden Namibias leben, ihrem Ganzkörper-"Makeup". Dafür sammeln die Frauen in den Bergen Roteisensteine, die sie zu Staub mahlen, mit Butterfett aus Ziegenmilch vermischen und mit dem Harz einer Myrrhenart parfümieren. Die rötliche Paste, die sie sich mindestens einmal täglich von Kopf bis Fuß auf die Haut schmieren, schützt vor Hitze, Austrocknen und Insektenstichen und entspricht außerdem dem Schönheitsideal.

Frauen wie Männer flechten ihre Haare stundenlang zu den reinsten Kunstwerken und ummanteln sie dann ebenfalls mit der rötlichen Paste. Um die Frisuren beim Schlafen nicht zu zerstören, betten sie ihren Kopf nachts auf einen kleinen Holzschemel. Während die Frauen nur mit einem Lendenschurz aus Kalbsleder und opulentem Schmuck bekleidet sind, kombinieren die Männer zur traditionellen Schürze aus Tierhaut gerne T-Shirts oder Fußballtrikots.

Grund zum Feiern
Der Swakop ist mit 460 Kilometern Länge einer der wichtigsten Trockenflüsse Namibias und mündet bei Swakopmund in den Südatlantik – wenn er, wie für Trockenflüsse typisch, nicht gerade trocken ist. Denn wegen seines langen Weges durch die Namib-Wüste, geringer Niederschläge, Wasserentnahme für die Landwirtschaft sowie für die Uranminen erreicht der Fluss nur selten den Ozean – zuletzt 2011 und dann erst wieder 2022.

Das Ereignis wird jedes Mal begeistert mit Freudenschreien bejubelt und mit Champagner begossen, auch wenn der Anblick der braunen Suppe, die sich ins blaue Meer schiebt, alles andere als ästhetisch ist. Der Name Swakop, der aus der Sprache der Nama und Darama stammt, könnte übrigens nicht treffender sein: Er setzt sich zusammen aus „Tsoa“ und „xaub“. „Tsoa“ heißt so viel wie After und „xaub“ steht für die Exkremente.

First Lady
Als Hage Geingob von 1990 bis 2002 als der erste Premierminister Namibias amtierte, war die 1977 geborene Monica Kalondo noch eine Teenagerin. 2015 heiratete sie, inzwischen Juristin, erfolgreiche Unternehmerin und eine der einflussreichsten Personen des Landes, den 35 Jahre älteren Politiker. Für ihren Kampf gegen HIV erhielt Monica – seit ihrer Eheschließung Monica Geingos – viele Auszeichnungen, darunter den „World Without AIDS Award“ der Deutschen Aids-Stiftung.

Die von ihr gegründete Organisation „One Economy Foundation“ setzt sich für die Entwicklung Namibias und Frauenrechte ein. Sie selbst habe, wie viele Frauen weltweit, Frauenfeindlichkeit erlebt, wurde als fett und hässlich beschimpft – und als zu ehrgeizig. Warum jede einzelne Frau gegen Frauenfeindlichkeit in der Gesellschaft kämpfen soll, teilt sie in einem dreiminütigen Youtube-Video mit.

Gigantische Symbiose
Namibias riesige, teils wagenradgroße Omajova-Pilze gedeihen ausschließlich auf Termitenhügeln und gehören zu den größten Speisepilzen der Welt. Ihr Geschmack ist mild, leicht nussig, und die Konsistenz erinnert an Hühnchen. Omajova wachsen rasend schnell, aber nur am Anfang der Regenzeit. Für wenige Stunden duften sie herrlich aromatisch, dann fangen sie an zu stinken und sind ungenießbar.

Pilzsammler müssen also genau den richtigen Zeitpunkt abpassen und zudem Warzenschweinen, Kudus und anderen Tieren zuvorkommen, die die Delikatesse genauso gern vertilgen wie die Namibier. In der Sprache der Herero heißt der Pilz übrigens „Dummkopf“. Weil er so riesig ist und sofort von allen Fressfeinden gefunden werden kann. Wie der Omajova geerntet und zubereitet wird, seht ihr in einer Reportage von Galileo.

Wer runter will, muss erst mal rauf

Das gilt für Skifahrer und Sandboarder gleichermaßen, die ihren Sport in den Dünen bei Swakopmund ausüben wollen. Es gibt keinen Lift, dafür aber schweißtreibende Temperaturen. Kondition ist gefragt, denn mit Skischuhen Big Daddy, mit 380 Metern Höhe die höchste Düne der Welt, zu bezwingen, ist gar nicht so einfach. Doch die Anstrengung lohnt sich, zum einen wegen des Ausblicks über die schier endlose Dünenlandschaft, zum anderen wegen des Adrenalinkicks. Könner erreichen auf den steilen Dünen Geschwindigkeiten von bis zu 80 Stundenkilometern.

Wer sich übrigens nicht per Ski oder Sandboard hinuntertraut, der kann sich auch auf ein Brett legen, das mit speziellem Kunstharz beschichtet ist. Bleibt noch die Frage, ob die sportlichen Aktivitäten nicht dem fragilen Ökosystem Wüste schaden. „Die Einsinktiefe der Ski ist nicht tiefer als ein Schlangenabdruck“, erklärt Henrik May, Pionier des Dünenskifahrens in Namibia. „Bei Wind sind die Spuren nach weniger als zehn Minuten verweht.“

Großes Kino

Girley Charlene Jazama ist ein Multitalent. „Baxu and the Giants“, den ersten namibischen Film, der jemals auf Netflix gezeigt wurde, hat sie mitproduziert. Erfolgreich ist sie auch als Drehbuchautorin und Schauspielerin. Ihre erste Hauptrolle spielt sie in dem preisgekrönten Kinofilm „The White Line“ (2019), in dem sie sich als Hausmädchen im Südwestafrika der 1960er-Jahre in einen weißen Polizisten verliebt. Für diese Rolle erhält Jazama u. a. eine Nominierung für den African Movie Academy Award. 2023 schlüpft sie in dem Kinofilm „Der vermessene Mensch“ in die Rolle der Kezia, einer Dolmetscherin der Herero. „Die Story ist Teil meiner eigenen Familiengeschichte. Und Teil meines Volkes“, sagt die 40-Jährige in einem Interview mit dem „Kinomagazin“. „Nicht ich habe mir die Rolle ausgesucht – sie hat mich ausgesucht.“

Wichtig sei für sie gewesen, dass Regisseur Lars Kraume offen für ihr Feedback war. Aber warum ist in Deutschland eigentlich so wenig über den Genozid an den Nama und Herero bekannt? „Ich glaube, dass Deutschland die Tatsache verdrängen will, dass dies tatsächlich passiert ist. Und das, obwohl die Deutschen Schädel und Artefakte in ihren Museen ausstellen. Ich hoffe, dass der Film eine weltweite Diskussion auslöst und eine Veränderung herbeiführt. Und ich hoffe, dass wir es nach mehr als 100 Jahren als Menschen besser machen.“ Eine Kurzbeschreibung des Films findet ihr unter „Tipps“.

Namibias Tierquintette

Elefant, Büffel, Nashorn, Leopard und Löwe – die „Big Five“ kennt wohl jeder. Aber wie ist es mit den „Little Five“? Sie leben in der Namib-Wüste und sind gar nicht so leicht zu entdecken: der blauköpfige, fast durchsichtige Gecko, das Namaqua- oder Wüstenchamäleon, die Seitenwinderschlange, die Schaufelschnauzeneidechse und die Tanzende weiße Dame, eine nachtaktive Spinne, die in den Dünen Räder schlägt, um vor Fressfeinden zu fliehen.

Dann sind da noch die „hässlichen Fünf“. Laut dem gleichnamigen Kinderbuch des Autorenduos Axel Scheffler und Julia Donaldson zählen dazu Gnu, Hyäne, Geier, Warzenschwein und Marabu. Sie alle sind im Etoschapark beheimatet. Ein weiteres Quintett tummelt sich lieber im Meer als an Land. Zu den „maritimen Fünf“ zählen Wale, Delfine, Seerobben, Mondfische und Lederschildkröten. Namibia-Besucher treffen sie in Walvis Bay. Und noch einmal zurück zu den Big Five. Warum zählt eigentlich das Flusspferd nicht dazu? Oder die Giraffe, wo sie doch das größte oder zumindest höchste aller Tiere ist? Weil sich koloniale Großwildjäger den Begriff ausgedacht haben. Nicht wegen ihrer Größe haben sie die Big Five so bezeichnet, sondern weil es am gefährlichsten und schwierigsten war, sie zu jagen.

Modeevent in der Township

„Würdest du es gern mal mit Modeln probieren?“, fragte ihn eine ältere weiße Dame während eines Leichtathletik-Wettbewerbs, bei dem Dennis Hendricks als Läufer startete. „Gern“, habe er damals geantwortet und gefragt: „Aber was ist Modeln überhaupt?“ Er hat es ausprobiert und wurde eines der ersten männlichen Models in der Geschichte Namibias. Obwohl er Erfolg hatte und sein Gesicht große Kampagnen zierte, belächelten ihn Familie und Freunde: Modeln sei nur etwas für Mädchen oder Homosexuelle. Inzwischen geht der heute 42-Jährige nicht mehr selbst über den Laufsteg, sondern entwirft Mode und lässt sie von anderen präsentieren: von üppigen und dünnen, von schwarzen und weißen Models, von Erwachsenen und Kindern. Um die kaum existierende Modeindustrie in seiner Heimat zu fördern, hat Hendricks 2019 in Windhuk die „Katutura Fashion Week“ gegründet.

Seitdem kommen Designer und Models aus dem ganzen Land alljährlich nach Katutura, zum wichtigsten Modeevent Namibias. Ausgerechnet in eine Township? „Katutura bedeutet wörtlich übersetzt: Der Ort, an den wir nicht gehören“, erzählt Hendricks dem Deutschlandfunk. „Unsere Familien wurden während der Apartheid hier zwangsangesiedelt. Auch meine Vorfahren. Katutura ist ein Teil der Geschichte Namibias. Es ist der Ort, an dem unsere schwarzen Leute leben. Er repräsentiert mein Land, meinen Stolz, meine Nation. Die ‚Katutura Fashion Week‘ ist eine Hommage an die, die für unsere Freiheit gekämpft haben und meine Art, dieser Community etwas zurückzugeben.“