Kunstwerke im Büro
Endlich mehr Raum für den „Frühling“! Das neben „Der Geburt der Venus“ wohl bekannteste Bild von Sandro Botticelli hat eine eigene Wand bekommen. Die Renovierung zahlreicher Säle und die Neuhängung der Highlights ist eine der vielen Neuerungen, die Eike Schmidt, seit 2015 Direktor des Museums, angestoßen hat.
Die Gallerie degli Uffizi in Florenz besitzt die weltweit größte Sammlung von Renaissancekunst. Sie geht auf das Herrschergeschlecht der Medici zurück, für das im 15. und 16. Jahrhundert so bedeutende Künstler wie Botticelli, Michelangelo, da Vinci und Raffael arbeiteten. Ein Teil ihrer Skulpturen und Gemälde landete später im Verwaltungsgebäude der Medici, den Uffizien (uffizio = Büro). Der Bau wurde 1560 bis 1580 unter anderem vom Architekten Georgio Vasari errichtet und sollte ursprünglich Ämter und Ministerien beherbergen. Nach der Fertigstellung des Gebäudes wurde hier im zweiten Obergeschoss die Kunstsammlung der Medici untergebracht. Als die letzte Repräsentantin des Herrschergeschlechts 1743 starb, wurden die Sammlungen öffentlich zugänglich gemacht. Erst im 20. Jahrhundert hat man auch das erste Obergeschoss zum Museum ausgebaut, so dass sich keine Büros mehr in dem Gebäude befinden. Die Uffizien gelten als eines der ersten, wenn nicht als das erste Museum in Europa. Der Ursprung des Begriffs Galerie für eine Gemäldesammlung dürfte sich ebenfalls von der Bezeichnung Gallerie degli Uffizi ableiten.
Run auf die Renaissance
Die Uffizien sind das meistbesuchte Museum in Florenz, jährlich besuchten über zwei Millionen Menschen die Säle. Ohne Reservierung musste man oft stundenlang warten, bis man in die heiligen Hallen des Museums kam. Aber selbst mit Reservierung konnte es zum Geduldsspiel werden. Die Uffizien waren das perfekte Beispiel für Overtourism. Dem neuen Direktor Eike Schmidt war es daher ein großes Anliegen, die Besucherströme zu entzerren.
Schmidt bringt neuen Schwung
Der in Freiburg im Breisgau geborene Eike Schmidt ist der erste ausländische Direktor eines bedeutenden italienischen Museums. Ermöglicht hat das eine 2014 in Italien beschlossene Museumsreform. Dadurch wurden rund 20 staatliche Museen, darunter die Uffizien, in finanzieller, administrativer und organisatorischer Hinsicht autonom. Die Direktoren werden seither in einem öffentlichen Bewerbungsverfahren ausgewählt, sodass auch Ausländer zum Zug kommen können.
Höhere Preise, kleinere Gruppen
Einer seiner ersten Schritte: die Änderung der Preispolitik. Mit 6,50 Euro war der Eintritt in die Uffizien sehr günstig. Schmidt erhöhte den Ticketpreis auf jetzt 20 Euro – vergleichbar mit den Eintrittspreisen anderer internationaler Top-Museen oder Ausstellungshallen (z. B. Museum of Modern Art in New York 25 US-Dollar, Pariser Louvre 17 Euro oder Prado in Madrid 15 Euro). Gleichzeitig wurde die Preisgestaltung differenzierter. Um die Besucherströme zu lenken, ist der Eintritt in den Wintermonaten günstiger (12 Euro). Das soll dazu führen, dass zum Beispiel die Florentiner selbst das Museum eher im Winter besuchen. Außerdem wurde festgelegt, dass maximal Gruppen von 15 Personen in die Uffizien dürfen. Ist die Gruppe größer, wird ein saftiger Aufpreis fällig – den Studiosus übrigens für seine Gruppen auch bezahlen muss. Durch diese Maßnahmen ist es gelungen, die Schlangen vor den Kassen zu verkürzen.
Mehr Geld mit Gucci
Eike Schmidt öffnete die Uffizien und den ebenfalls von ihm verwalteten Palazzo Pitti mit den Boboligärten auch für Kino, Theater, Tanz, Oper und private Events. So präsentierte zum Beispiel das Florentiner Modeunternehmen Gucci 2017 seine neue Kollektion im Palazzo Pitti. Vor der Show konnten die Besucher durch die geschlossenen Uffizien flanieren und in aller Ruhe ein Selfie vor der „Geburt der Venus“ schießen, dann ging es exklusiv durch den Vasarikorridor in den Palazzo. Gucci wurde von Schmidt auch als Sponsor für die Uffizien gewonnen – zwei Millionen Euro hat das Modelabel einmalig zur Verfügung gestellt.
Das Museum in Corona-Zeiten
Wegen hoher Corona-Infektionszahlen ging Italien wie viele andere Länder Anfang März 2020 in den Lockdown, alle Museen mussten schließen, auch die Uffizien. Da traf es sich gut, dass Eike Schmidt das Museum auch digital fit für die Zukunft gemacht hatte. Die Uffizien hatten erstmals eine eigene Website bekommen, wurden auf Facebook, Instagram uns sogar Tiktok aktiv. Um kulturinteressierten Menschen, die nun zu Hause bleiben mussten, etwas Abwechslung zu bieten, boten die Uffizien im Internet Videoführungen an, bei denen Mitarbeiter des Museums ein Werk ausführlich vorstellten und unter dem Hashtag #lamiasala („mein Saal“) die Zuschauer in ihre Lieblingsecken in den Uffizien entführten. Auch konnte und kann man virtuell durch die Uffizien flanieren.
Anfang Juni 2020 sperrten die Uffizien wieder auf, und wer dann das Glück hatte, das Museum besuchen zu können, hatte die Welt der Renaissance fast ganz für sich allein. Täglich kamen nur mehr zwischen 3500 und 4000 Menschen ins Museum, so viele wie in den 1960er-Jahren. „Vor allem, wenn man früh am Morgen kommt, kann man auch mal für zehn Minuten allein mit Botticelli oder Leonardo sein“, so Eike Schmidt gegenüber inforadio.de. Im Lauf des Sommers und Herbstes wurden es wieder mehr Besucher – bis zum 5. November, als die Uffizien wegen zunehmender Corona-Infektionszahlen erneut schließen mussten.
Die Schließungen hatten für das Museum, das ja seit 2015 auch eine gewisse finanzielle Autonomie genießt, große negative Auswirkungen. Eike Schmidt ist stolz darauf, dass die Uffizien eines der wenigen Museen sind, die sich selbst finanzieren können. Durch die Schließungen entgehen dem Museum jetzt allerdings Einnahmen im zweistelligen Millionenbereich, aber es gebe laut Schmidt noch Rücklagen aus den Vorjahren.
Während dieser Text entsteht, sind die Uffizien immer noch geschlossen. Doch wenn das Museum seine Tore wieder öffnet, werden die ersten Besucher die Kunstwerke der Renaissance erneut in aller Ruhe genießen können – und der „Frühling“ wird neu erblühen.
Außerdem wissenswert
Kunst unter Wasser
Im November 1966 kam es zu einer verheerenden Hochwasserkatastrophe in Florenz. Fünf Meter hoch setzten die Fluten des Arno die Stadt unter Wasser, überfluteten die Ponte Vecchio, die Nationalbibliothek und die Uffizien, wo zahlreiche Werke „nasse Füße“ bekamen und beschädigt wurden.
Bombenanschlag auf die Uffizien
Am 27. Mai 1993 zündete die Mafia eine Autobombe in der Nähe der Uffizien. Die Bombe tötete fünf Menschen und zerstörte Kunstwerke von Barthomeo Manfredi und Gherado Delle Notte. Bilder von Rubens und Van Dyck wurden schwer beschädigt. Die Bombe war Teil einer Anschlagsserie, die sich gegen das Kulturerbe in Italien richtete. So wurden bei weiteren Anschlägen 1993 auch die Lateranbasilika und die Hochzeits-Kirche San Giorgio in Rom teilweise zerstört.
Der geheimnisvolle Vasarikorridor
Cosimo de Medici ließ 1565 einen über 800 Meter langen Gang, den Vasarikorridor bauen, damit er ungestört vom Palazzo Vecchio zum Palazzo Pitti gelangen konnte. Der Gang führt unter anderem durch das Gebäude der Uffizien und über die Ponte Vecchio. Von hier aus konnten die Medici ungesehen das Treiben auf der Ponte Vecchio beobachten. Im Zweiten Weltkrieg soll der Gang dem geheimen Treffen von Partisanen mit den Alliierten auf der anderen Seite des Arno gedient haben. Bis vor kurzem wurden hier Künstlerselbstporträts von der Renaissance bis zur Gegenwart gezeigt. Im Moment ist der Vasarikorridor wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Vorgesehen ist, dass Besucher der Uffizien künftig mit einem Kombiticket über den Vasarikorridor direkt zum Palazzo Pitti gelangen können – wie einst die Medici.