Studiosus-Geschäftsführer Peter-Mario Kubsch im Interview „Wir bringen die Klimawaage wieder ins Gleichgewicht“
Herr Kubsch, im Sommer 2020 hat Studiosus verkündet, künftig alle Reisen umfassend klimaneutral zu stellen. Wie kam es zu dieser Entscheidung mitten in der Corona-Pandemie?
Umweltschonendes und sozial verantwortliches Reisen ist eine Herzensangelegenheit von Studiosus. Daher ist es uns sehr wichtig, das Thema nachhaltiges Reisen auch in dieser außergewöhnlichen Zeit nicht aus den Augen zu verlieren. Studiosus war und ist Trendsetter im Bereich nachhaltiges Reisen. Und das wollen wir auch weiterhin bleiben.
Das Thema CO2e-Kompensation ist nicht neu für Studiosus …
Richtig. Bereits seit 2012 kompensieren wir den Treibhausgasausstoß der Bus-, Bahn- und Schiffsfahrten auf unseren Reisen. Eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit und die zunehmende Akzeptanz der Notwendigkeit des Klimaschutzes haben uns ermutigt, jetzt noch einen großen Schritt weiterzugehen und ab 2021 alle Studiosus-Reisen umfassend klimaneutral zu stellen – also inklusive Flügen, Übernachtungen sowie der Verpflegung.
Wie genau funktioniert die Kompensation?
Als erstes ermitteln wir die Treibhausgase, die beim Flug, durch Bahn-, Bus- und Schiffsfahrten im Zielgebiet, durch Übernachtungen und die Verpflegung entstehen – und zwar für jede einzelne Reise, die wir im Programm haben. In einem zweiten Schritt rechnen wir diese Emissionen in einen Geldbetrag um, der benötigt wird, um dieselbe Menge Treibhausgase durch Klimaschutzprojekte an anderer Stelle einzusparen. So bringen wir die Klimawaage wieder ins Gleichgewicht. Zur Berechnung berücksichtigen wir übrigens nicht nur die CO2-Emissionen, sondern auch andere relevante Treibhausgase wie Methan und Lachgas. Deren Klimawirksamkeit rechnen wir auf CO2-Emissionen um und kompensieren sie entsprechend – das sind dann die sogenannten CO2-Äquivalente oder CO2e.
Welches Klimaschutzprojekt unterstützt Studiosus mit dem Geld aus der Kompensation?
Wir finanzieren den Bau von Biogasanlagen in Nepal, die die Einheimischen mit sauberer Energie zum Kochen versorgen. Dabei arbeiten wir mit der Klimaschutzorganisation myclimate zusammen, die das Projekt bereits seit Jahren begleitet. Auch Studiosus hat mit Biogasanlagen zur CO2e-Kompensation Erfahrung: Seit 2012 wurden durch Kompensationszahlungen von uns sowie durch freiwillige Spenden unserer Gäste schon über 3600 Biogasanlagen gebaut – die meisten davon in Südindien.
Warum hat sich Studiosus für Biogasanlagen als Klimaschutzprojekt entschieden?
Das Projekt wurde nach den Gütekriterien der renommierten Zertifizierungsorganisation Gold Standard überprüft und erfüllt deren höchste Anforderungen. Damit ist sichergestellt, dass die Biogasanlagen die Entstehung von Treibhausgasen mindern, zugleich aber auch die nachhaltige Entwicklung im Projektgebiet fördern – also viele positive Auswirkungen für die Menschen vor Ort haben, vor allem für Frauen und Kinder.
Können Sie Beispiele für diese positiven Auswirkungen nennen?
Da gibt es wirklich einige: Die Abholzung wird vermindert, da zum Kochen kein Brennholz mehr benötigt wird. Die Frauen, die bisher jeden Tag Holz zum Kochen sammeln mussten, haben nun mehr Zeit für sich oder um auf dem Feld mitzuhelfen – und sie sind die Eigentümerinnen der Anlagen, was ihre soziale Position stärkt. Die Kinder, die oft ebenfalls Holz holten, können jetzt in die Schule gehen und ihre Hausaufgaben machen. Durch das Kochen mit Biogas werden außerdem offene Holzfeuer im Haus überflüssig. Das hilft, Unfälle zu vermeiden, und reduziert Rauch und die damit verbundenen Augen- und Atemwegserkrankungen. Der entstehende hochwertige Biodünger ersetzt chemische Düngemittel und steigert die Erträge in der Landwirtschaft.
Welche Maßnahmen ergreift Studiosus noch, um seine Reisen klimafreundlich zu gestalten?
Das wichtigste Prinzip bei der Planung lautet bei uns: vermeiden vor reduzieren vor kompensieren – nach diesem Grundsatz gestalten wir alle unsere Reisen. Konkret bedeutet das, dass wir zum Beispiel unsere Routen so planen, dass unnötige Busfahrten vermieden werden und innerhalb eines Landes nur dann geflogen wird, wenn es unbedingt erforderlich ist. Zudem bieten wir, wo möglich, den Gästen Nonstop-Flüge statt Umsteigeverbindungen – denn am meisten Kerosin verbraucht ein Flugzeug beim Starten und beim Landen. Immer beliebter werden Reisen mit dem Komfortbus, zum Beispiel nach England und Schottland oder sogar bis ans Nordkap, oder auch die Anreise mit dem Zug. Und das Rail&Fly-Ticket hilft dabei, innerdeutsche Anschlussflüge zu reduzieren – wir haben es bereits 1996 in den Reisepreis inkludiert und waren damals auch damit Trendsetter in der Branche.
Herr Kubsch, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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Klimaneutral die Welt entdecken – das geht auch mit Marco Polo. Wie bei Studiosus werden seit 2021 alle Reisen umfassend klimaneutral gestellt. Zudem ist nun das Rail&Fly-Ticket 2. Klasse im Reisepreis eingeschlossen.