Starkoch Tom Franz - kulinarischer Brückenbauer
Nachts, wenn seine vier Kinder und Frau Dana schlafen, setzt sich Tom Franz gerne ins Auto und fährt von Ra’anana, das keine 15 Minuten nördlich von Tel Aviv liegt, nach Jerusalem. Für die knapp 70 Kilometer braucht er kaum mehr als eine Stunde, weil
er den sonst üblichen Berufsverkehr umgeht. „Ich parke am liebsten außerhalb der Stadtmauer und gehe dann zu Fuß weiter“, sagt Franz. „Das ist eine gute Einstimmung auf das Gebet an der Klagemauer.“
Als Franz 1973 in Köln geboren wird, ahnen seine katholischen Eltern nicht, dass ihr Sohn einmal nach Israel emigrieren, zum Judentum konvertieren und Karriere als Koscher-Starkoch machen wird. Während eines Schüleraustauschs hat er erstmals Kontakt zu Israelis – in Deutschland. Ein Jahr später, beim Gegenbesuch in Israel, entsteht eine Sehnsucht nach dem Heiligen Land, die ihn seitdem begleitet. Jahre später geht er als Zivildienstleistender in ein Tel Aviver Krankenhaus, dann studiert er in Deutschland Jura. In den Semesterferien arbeitet er wieder in dem Krankenhaus. Dort hat er ein Schlüsselerlebnis, das er als „spirituelles Erwachen“ und „Geburtsstunde meines Glaubens“ bezeichnet. Auf der Baustelle des Hospitals zerschmettert eine Eisenstange direkt vor seinem Gesicht ein Fenster. „Hätte die Stange mich getroffen, wäre das mein sicherer Tod gewesen.“
Zwar absolviert Franz das Jurastudium mit Bravour und ist auf dem Weg, ein erfolgreicher Rechtsanwalt in Deutschland zu werden. Doch Israel und die jüdische Religion lassen ihn nicht mehr los. „Ich habe 15 Jahre lang ein Parallelleben geführt“, erzählt er rückblickend. „Es war, als wäre ich verheiratet gewesen und hätte eine Geliebte. Und um bei dem Bild zu bleiben: Ich entschied mich für die Scheidung und für die Geliebte: Israel.“ Die ersten Jahre in Israel sind hart. Franz lässt Familie und Freunde, Job und Wohnung zurück, fängt bei null an. Oberste Priorität hat seine Konversion. Er lernt Hebräisch, studiert die Heiligen Schriften und lässt sich mit über 30 Jahren beschneiden. Zweieinhalb Jahre dauert es bis zur Prüfung vor dem Rabbinergericht, dem drei Geistliche vorsitzen. „Die war schwieriger als meine beiden Staatsexamen in Deutschland.“
In dieser Zeit bringt er sich notgedrungen das Kochen bei, denn in Deutschland hatte stets die Mutter gekocht. „Ich war allein und ich hatte Hunger“, schmunzelt er. „Mir blieb nichts anderes übrig, als mich selbst an den Herd zu stellen.“ Da er damals wenig Geld hat, kauft er auf dem „Shuk“ ein – und taucht dort erstmals so richtig in die kulinarische Welt Israels ein. Seine spätere jüdische Frau Dana erkennt sein außergewöhnliches Talent sofort. „Als ich das erste Mal für sie gekocht habe, war ich nervös“, erzählt der heute 46-Jährige. „Sie arbeitete damals als PR-Beraterin für Spitzenköche und hatte ziemlich viel Ahnung.“ Dana ist überwältigt von seiner Kreativität und seinem Fingerspitzengefühl für Speisen und drängt ihn, an der Kochshow „Masterchef“ teilzunehmen, eine der angesagtesten Unterhaltungssendungen im israelischen Fernsehen. Bei der dritten Staffel ist der Deutsche schließlich einer von 6000 Bewerbern. Am meisten hat er vor der öffentlichen Meinung Angst. Was die sozialen Netzwerke wohl über den deutschen Konvertiten schreiben werden? Wird es Anfeindungen geben? „Im Gegenteil“, weiß Franz heute. „Ein ganzes Volk hat mich mit einer großen Umarmung aufgenommen.“
Als er vor dem Finale auf dem Markt einkauft, schütteln ihm seine Fans die Hand, wünschen ihm Glück und rufen ihm zu: „Du bist unser Held!“ Für Millionen Israelis ist er kein Unbekannter mehr – und seit dem Gewinn des „Masterchef“-Titels schon gar nicht. Die vier Juroren überzeugt er mit einem Steak in einer roten Pfeffersauce, Auberginencreme und dazu Kartoffeln.
Sein Hobby macht der Autodidakt zum Beruf und wird als Koscher-Gourmetkoch landesweit berühmt. „Die Israelis sehen mich als Gesicht des neuen Deutschland“, erzählt er. Umgekehrt versteht sich Tom Franz als Botschafter in Richtung Deutschland. „Ich möchte Interesse an Israel und der israelischen Küche in Deutschland wecken.“ Im Moment arbeitet er daran, seine kulinarischen Kreationen in deutsche Supermärkte zu bringen. Sein Ziel ist es, Brücken zwischen seiner alten und seiner neuen Heimat zu bauen. „Israel ist ein Traumland“, schwärmt er. „Schönes Wetter, abwechslungsreiche Landschaften, biblische Orte. Na ja, es ist halt das Heilige Land.“